„In Armstrongs Aufzeichnungen keine Engel“
von Matthias Engels




Cover In Armstrongs Aufzeichnungen keine Engel


Vorspiel

Alles gehört dir, eine Welt aus Papier, wacklige Wände aus Seiten, nachts die Decke aus Blättern, die Kissen gestopft mit zerknüllten Zetteln, Möbel aus spitzwinkligen Zeichen und der Wolf im Märchen ruft: I´ll huff and i´ll puff and i´ll blow your house down.

Es regnet Punkte und schneit Semikolons. Geschredderte Streifen von gestern hängen bis Mittag in den Bäumen. Ruhig und raunend rumort die Geschichte unter dem (wirk- lichen?) Leben immer weiter, dass sich skrupellos mit seinen Sirenen, Klingeltönen und Jingles bemüht, auf sich aufmerksam zu machen.

So viel verpasst wegen der dröhnenden Dauerbeschallung, selbst die Stille der Nacht rauscht so laut im Ohr, dass die entscheidenden Stellen an dir vorbeigehen, die du so gerne gehört hättest. Längst hast du den Faden verloren und erhaschst nur noch hungrig einzelne zusammenhanglose Worte wie GLÜCK und TRAUM und ZIEL, die hinten in deinem Hirn hängenbleiben und vergeblich auf ihre logische Verknüpfung warten.

Alles verstopft mit diesen schweren Silben, Sätzen, die nicht nach oben kommen, niedergedrückt und erstickt von anderen, viel flatterhafteren wie: Buntwäsche, Badehose und Brückentag, bis nur noch ein breiiger Bodensatz bleibt, der nicht mehr Wort ist, sondern nur noch dumpfes unbestimmtes Gefühl ∼ Brennstoff, aber schnell verbraucht.


***


mundfinsternis

du hast mein wort
aus lauter ton- und
stimmlosen silben,
ich sprech es dir vor.

versuch deinen reim
auf mein schweigen;
jedes gewonnene wort
holt sich die stille
zurück.

wir stehen beide
in vollem wort,
schweig mir
klar und vernehmlich
nach.

die mundfinsternis
kommt unausweichlich,
jetzt ist die ruhe
vorm verstummen;
deine ohren
von rauschen
betobt.


***


Cover In Armstrongs Aufzeichnungen keine Engel


was du sagst

du sagst
ein satz ist ein steiniges pflaster
das wir vermeiden
durch gleiten durch schweigen

du sagst doch
wir sollen verschwiegen werden
du sagst nichts
soll ungesagt bleiben

ich sage doch
du machst es ungesagt
durch saugen
an meinen lippen
ein kaltblütig geplantes
versprechen

du sagst
ein satz ist ein schlammiges flussbett
das wir umgehen
durch geschmeidiges schlängeln

aber
ist ein geflicktes seil
auf spiel
vielleicht
ein spiel auf zeit
und und
eine perle
am faden
du sagst
ein satz ist ein gestrüpp am wegrand
das wir vermeiden
durch stehen bleiben

doch bestimmt
bleibt unsagbar
verschwiegen

du sagst etwas
bleibt unausgesprochen
du sagst du
und es bleibt
ein versprechen


***


curriculum vitae

hier
das leere formular
trage ein
deinen namen
dein land, deine stadt

trage ein: mensch
setze hinter geboren ein Ja
und ein kreuz
vor dein biologisches geschlecht
dies ist
über dein leben
über ein leben
über leben

schreibe nieder
dein tun,
auch, wenn du dabei
an dein lassen denkst

lass es aus,
lass es niemanden merken
dokumentiere die orte
an denen du warst,
es gibt keine zeilen
für die, die du nie gesehen hast
und nie sehen wirst
keine spalte für wünsche
erzähle ein wenig
von dem, was du bist
nichts, über das,
was du sein willst
beichte irgendwas
und verschweige den rest
allzu viel ist
nicht von interesse
fülle die felder
mit dem gefragten
bring dich
in schriftform

gib es ab
oder lege es
zu den akten
und gehe heim
mit dem ungesagten


***


Cover In Armstrongs Aufzeichnungen keine Engel


"Die Lyrik von Matthias Engels also. Versucht inmitten der zeitgenössischen Verkopft- und Verstopftheitslyrik zurückzufinden zu lebensnaher Gefühlswelt, zu echtem Ausdruck ohne vernünftelnder Unschärferelationen und zu Klang..."

Steffen Dürre,
Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Weisz auf Schwarz, Rostock




• Format 13 x 21 cm
• 90 Seiten
• mit rotem Vorsatzpapier
• wundersame Zwischentexte
• sorgfätiger Vers-Satz und Zeilenfall
• Nachwort von Steffen Dürre
• Nachbemerkung des Herausgebers

• ISBN 978-3-935259-75-0


Gedichte sind ganz dichte Romane. Wenn Du sie zu lesen verstehst.



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zuletzt aktualisiert am 30. Dezember 2017